Freitag, 26. Oktober 2012

Lebenstempo

Einer meiner liebsten Blogs ist der Lebenstempo-Blog von Petra Schuseil.

Lebenstempo - das ist ein griffiger Begriff, den man gerne  mit positiven Assoziationen belegt. Schnelles Tempo ist energiegeladen, flexibel und animierend, langsames Tempo ist besonnen, genussvoll. Wichtig: das Tempo bestimmt man selbst.

Und plötzlich wird mir klar, wie mein Leben gerade funktioniert: das Tempo bestimmen die anderen. Ich renne hinterher oder warte. ODER?
Nein, es ist schon besser, ich bestimme manchmal selbst das Tempo, genau genommen lasse ich zu, dass vor allem meine Förderschüler das Tempo bestimmen. Eine beglückende Erfahrung, zu spüren, dass etwas (noch) nicht geht (z.B. eine Halbe von einer Viertelnote zu unterscheiden), und dann anzubahnen, dass es geht. Die Freude zu spüren, die freigesetzt wird, wenn mein Schüler es dann weiß. Genug Geduld gehabt zu haben, um diesen Moment der Freude abzuwarten. Mich mit ihm zu freuen, das Wissen mit ihm anzuwenden, ihn vor der Klasse sprechen zu hören, wie er selbstbewusst zeigt, dass er es jetzt weiß. Obwohl es meinem Naturell zuwider läuft, macht es mich glücklich, langsam sein zu können.

Das ist das Beste an meinem Beruf: die anderen Menschen zu erleben und sich auf sie einzulassen. Manchmal bereue ich das hinterher, aber meistens macht es mich glücklich. Ich lerne dabei viel über mich selbst.

Tempo ist in der Schule ein außerordentlich wichtiger Begriff. Wer zu langsam ist, fällt durch (wohin?), wer zu schnell ist, langweilt sich. Das Lebenstempo der einzelnen Schüler zu treffen, kann uns nicht gelingen. Das Ausmaß an  Verschwendung von Zeit, das so entsteht, ist beängstigend. Mit welchem Recht tun wir das?

Ein nachdenklicher Abschluss eines Gedankengangs, der aus der Eile entstand. Heute, am Freitagabend , sitze ich ruhig im Sessel und schreibe. Morgen geht's schon wieder rund, ich beeile mich, strenge mich an, um alles "rechtzeitig" zurückzugeben und auszuteilen. Immer am Laufen, Anstoßen und Lenken. Für wen?

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